Brief an die Stadtspitze
Am 12. Dezember 2006 schrieben wir einen Brief an Herrn Frank Baranowski, Oberbürgermeister der Stadt GE, an Herrn Stadtdirektor Michael von der Mühlen und an die Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen im Rat der Stadt.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren!

Im Namen des im Februar 2006 gegründeten Bürgerforum HSH hat Herr Dr. Lutz Heidemann im März 2006 eine Petition an den Landtag NRW gerichtet. Der Anlaß war der Beschluß des Rates vom Dezember 2005, das Hans-Sachs-Haus abzureißen. Der Ausbau auch der letzten technischen Einrichtungen im Gebäude deutete auf eine baldige Umsetzung hin. Mit der Petition sollte erreicht werden, daß der Beschluß ausgesetzt und noch einmal über Wiederherstellungsmöglichkeiten durch Einschaltung externer Fachleute nachgedacht wird. Es wurde von uns auch auf strukturelle Mängel hingewiesen, die zu der bedauerlichen Entscheidung beigetragen hatten, z.B. die chronische Unterfinanzierung der Gemeinden und das Fehlen des im Gesetz vorgesehenen Landesdenkmalrates.

Die Petition fand in kurzer Zeit viele Unterzeichner - sowohl durch Gelsenkirchener Bürger, die von der Gründung unseres Forums in der Zeitung gelesen hatten, wie durch von uns angesprochene auswärtige Fachleute. Nach Abgang stellten wir die Petition ins Internet und erwähnten sie bei Fachveranstaltungen. Wir fanden so sehr viele spontane weitere Unterstützer, darunter eine erstaunlich große Zahl Nicht-Gelsenkirchener.

Am 27. September 2006 hat die Präsidentin des Landtages das Ergebnis der am 19. September stattgefundenen diesbezüglichen Beratung im Petitionsausschuss an Herrn Dr. Heidemann übermittelt. Dieses Schreiben wurde auch dem Herrn Oberbürgermeister zur Kenntnis gegeben. Der Kern der Antwort besteht in der Empfehlung:

„... in einer moderierten Werkstattreihe ein Rahmenkonzept erarbeiten zu lassen, das Nutzungsperspektiven aufzeigt und als Grundlage für den künftigen konservatorischen und planerischen Umgang mit dem Gebäude dienen soll.
In den Werkstattveranstaltungen sollen Schlüsselpersonen aus Stadtgesellschaft, Wirtschaft, Politik und Verwaltung mit renommierten Architekturbüros zusammenkommen und in einem diskursiven Prozeß gemeinsam die zentralen Eckpunkte des Rahmenkonzeptes definieren.“

Diese ausgesprochen konkrete Antwort der Landtagspräsidentin befriedigt uns sehr. Inzwischen hat die Stadt GE begonnen, viele Anregungen aus Düsseldorf umzusetzen. Einige Mitglieder vom „Bürgerforum HSH“ waren in bereits durchgeführte Veranstaltungen eingebunden. Wir halten die dabei erarbeiteten Ideen der Architekten und die organisatorischen Vorschläge der Expertenrunde für einen akzeptablen Kompromiß und fänden es richtig, wenn auf dieser Grundlage weitergeplant wird.

Am 23. November fand eine Veranstaltung im „stadt.bau.raum“ statt, in der diese Ergebnisse der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Dieses Angebot war in der Presse nur knapp erwähnt und wohl deshalb auch nur von wenigen Bürgern wahrgenommen worden. In einer Weise war das nicht unangenehm; die kleine Runde erlaubte einen guten Gedankenaustausch.

Doch angesichts der jahrelangen und der teilweise auch sehr emotionalen Diskussion um des HSH müßten noch weitere Veranstaltungen folgen, bei denen es jedoch schwerpunktmäßig um die Zukunft des Bauwerkes gehen sollte. Wir meinen, daß jetzt noch einmal für den Wert des Gebäude geworben werden müßte, quasi als moralische Legitimation für durchaus mögliche Mehrkosten gegenüber einem „Banalneubau“ und auch Verständnis geweckt werden müßte für den langen Weg, der noch vor allen Beteiligten liegt.

Nachdem sich für das Hans-Sachs-Haus wieder eine Perspektive eröffnet hat, könnte jetzt für die Bürgerbeteiligung die bewährte Form einer „Zukunftswerkstatt“ aufgegriffen werden. Es hat sich bei den bisher durchgeführten Veranstaltungen gezeigt, daß bei einer professionellen Moderation die Ergebnisse deutlich besser und „entemotionalisierter“ werden. Wir schlagen Ihnen für die nächsten Schritte eine Kooperation zwischen Stadt und Bürgerforum HSH vor, ggf. unter Einschaltung der VHS. Als Örtlichkeit für die Durchführung solcher Veranstaltungen bietet sich der „stadt.bau.raum“ geradezu programmatisch an.

Unsere Angebote könnten sein:

  • die vertiefte und für Nicht-Architekten verständliche Analyse der Expertenvorschläge,
  • das Sammeln der Wünsche, Vorstellungen und Erfahrungen der Bürger in Hinblick auf den geplanten neuen Saal und für weitere bürgernahe Funktionen des renovierten Gebäudes,
  • die Aufbereitung der Geschichte des HSH, ggf. als Beitrag für die Auslobungsunterlagen des geplanten Architektenwettbewerbes,
  • das Herausarbeiten der baugeschichtlichen Bedeutung des HSH, insbesondere seine regionale Ausstrahlung. Dieser Arbeitsschritt könnte eine gute Einstimmung auf „Kulturhauptstadt 2010“ sein, bei der das HSH nicht „außen vor“ gelassen werden sollte, ja eher sogar ein beachteter Gelsenkirchener Beitrag sein könnte,
  • systematisch Erfahrungen anderer Ruhrgebietsgemeinden mit ihren Rats- und Veranstaltungssälen abfragen und die Ergebnisse in die Neuplanung einbringen.

Bei der Erkundung der Erfahrungen anderer Gemeinden mit ihren Sitzungsräumen sollten sowohl jüngere Anlagen z.B. in Marl, Castrop-Rauxel und Essen, aber auch „historische“ Ruhrgebiets-Rathäuser und Veranstaltungssäle besucht werden. Dabei bietet es sich an, daß aus der Mitte des Rates eine Gruppe von Politikern sich herauskristallisiert, die uns auf diesen Exkursionen begleitet und dann auch später - in der kommunalen Diskussion um die Wettbewerbsvorschläge z.B. als Jury-Mitglieder oder deren Vertreter - weiter „am Thema“ bleiben.

In der Hoffnung auf weitere gute und konstruktive Schritte für ein wichtiges Gebäude unserer Stadt grüßen Sie als

Sprecher des „Bürgerforum HSH“: Dr. Lutz Heidemann, Hartmut Hering, Kai Kühmichel, Karin Powileit


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Unser Brief richtete sich viele Personen, jedoch erhielten wir bis heute nur eine einzige Antwort. Und zwar am 26.12.2006 vom Stadtverordneten Bernd Matzkowski:

Betrifft: Ihr Schreiben v. 12.12.06/HSH

Sehr geehrter Dr. Heidemann !
Sehr geehrte Damen und Herren !

Gestatten Sie mir zunächst zwei Vorbemerkungen:

  1. Wenn ich Ihnen erst jetzt antworte, so ist das nicht mangelndem Interesse an der Sache geschuldet, sondern dem engen Terminplan (mit einer Ratssondersitzung zum Thema HSH) und der vorweihnachtlichen und weihnachtlichen Inanspruchnahme durch andere Dinge.
  2. Ich schreibe Ihnen zunächst als einzelner Stadtverordneter, nicht als Mitglied oder gar Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen oder gar als Vorsitzender des Ausschusses HSH 1. Nehmen Sie das Schreiben also als das, was es ist: die Darlegung meiner persönlichen Meinung.

Ich will mich wesentlich auf den Kern Ihres Anliegens beschränken, nicht also lange auf Details Ihres Schreibens eingehen, wie etwa die Einschätzung des Abrissbeschlusses bzw. seiner Funktion im Kontext der Vertragskündigung oder die Frage, warum bei der öffentlichen Veranstaltung so wenig Bürger anwesend waren. Der Kern Ihres Schreibens scheint mir im Vorschlag einer „Zukunftswerkstatt“ zu liegen.

Nun, ich halte diesen Vorschlag für wenig funktional. Eine Zukunftswerkstatt hat – zumindest nach meinem Verständnis – einen relativ offenen Horizont, sie muss sozusagen der Fantasie freien Lauf lassen können. Wenn dem so ist, macht die Methode im Kontext HSH allerdings nur wenig Sinn. Warum ? Weil wir hier doch schon recht enge Vorgaben haben- zum Teil solche, die ich – ebenso wie Sie – ausdrücklich begrüße, nämlich die Ergebnisse der workshop-Reihe von ihrer Substanz her: weitestgehender Erhalt der der Fassade/Beibehaltung der „Idee“ des Fischer-Gebäudes in neuer Ausgestaltung. Neben den Ergebnissen der workshops haben wir aber bereits weitere Vorgaben (siehe auch Beschluss der Sonderratssitzung: gemeinsamer Antrag von SPD, CDU, Grünen und FDP):multifunktionaler Rats-Saal, Unterbringung zentraler Verwaltungseinheiten (Bürger-Service, Rat, Fraktionen, OB). Daneben haben wir bereits – wenn auch grobe – Vorplanungen für den Raumbedarf (incl. Wirtschaftlichkeitsberechnung). Über den finanziellen Rahmen will mich nicht auslassen. Zudem soll die Verwaltung bis Ende März bereits einen „Fahrplan“ für das weitere Verfahren vorlegen – besonders im Kontext eines „Ausschreibungsverfahrens“.

All dies macht, zumindest aus meiner Sicht, deutlich, dass eine „Zukunftswerkstatt“ eher kontraproduktiv wäre, weil sie Energie an falscher Stelle binden würde.

Ich könnte mir allerdings gut eine „Zukunftswerkstatt“ zum Umfeld HSH vorstellen – eine Werkstatt, die Ideen für eine zukunftsorientierte Neugestaltung der Achse Heinrich-König-Platz bis Musiktheater entwickelt und so das „neue“ alte HSH unter stadtplanerischen und städtebaulichen Gesichtspunkten als Mittelpunkt in einem neuen (attraktiveren) Umfeld sieht.

Was Ihre Angebote(S. 2. des Schreibens) angeht, so sind einige sicher bedenkenswert, andere dagegen meiner Meinung nach (zumindest in Teilen) überflüssig: so ist etwa die Geschichte des HSH in großen Teilen ausführlich ausgearbeitet (z.B. durch das Referat Kultur/Dr. Bandelow). Hier kann man allerdings darüber nachdenken, in welcher Form man diese vorhandenen Ergebnisse und Darlegungen fruchtbar macht.

Zu einem Punkt möchte ich noch gesondert Stellung nehmen, nämlich dem „Sammeln der Wünsche, Vorstellungen und Erfahrungen der Bürger in Hinblick auf den geplanten neuen Saal…..“ (S.2). Legen Sie mir das bitte nicht als „Bürgerfeindlichkeit“ aus, aber welche Erfahrungen und Meinungen welcher Bürger meinen Sie konkret? Sieht man sich die entsprechenden Foren (etwa der WAZ) an, hat man bereits ein Bündel von Meinungen, Vorstellungen und Erfahrungen – und zwar allerwidersprüchlichster Art. Übrigens bis hin zur Forderung, das Haus niederzulegen.

Was den Blick auf den Saal angeht, ist Ihre Perspektive meiner Meinung nach verkürzt. Der „alte“ Saal war unzweifelhaft ein „Alleinstellungsmerkmal“. Nicht zuletzt des Saales wegen(als wesentlicher Bestandteil des Hauses) hat meine Fraktion sehr lange den Aspekt des Denkmalschutzes weit nach vorne geschoben – trotz vorhandener Zweifel zum Vertragswerk und bei den sich im Laufe des Verfahrens entwickelnden Kosten. Nun ist dieser Saal – die Prognose wage ich – unwiderruflich verloren. Der „neue“ Saal muss aber in neuen Kontexten gedacht werden – auch unter finanziellen Gesichtspunkten. Hier geht es um die Frage, ob die Stadt Gelsenkirchen einen Veranstaltungssaal mit einer Kapazität bis etwa 1000 (eintausend) Besucher benötigt und an welcher Stelle dieser Saal vorhanden sein muss. Hier ist „weiträumiger“ zu denken: in die Überlegungen sind also etwa das MiR, die Emscher-Lippe-Halle und weitere Optionen einzubeziehen. Hier lediglich vom Standort HSH aus zu denken, ist wenig zielführend.

Sehr geehrter Dr. Heidemann! Sehr geehrte Damen und Herren!

Lassen Sie mich abschließend sagen, dass ich mein Schreiben als Teil eines dialogischen Verfahrens sehe und mich über eine Antwort freuen würde. Denn in einem Punkt sind wir uns sicher einig: eine größere Transparenz und ein verstärkter Dialog im Kontext des HSH sind sinnvoll und können fruchtbar sein. Dies schließt aber auch das deutliche Aufzeigen unterschiedlicher Auffassungen ein. So ist mein Antwortschreiben zu verstehen!

Mit freundlichem Gruß

Bernd Matzkowski (Stadtverordneter, Bündnis 90/Die Grünen)

 

PS. von Mitte Januar 2007:

Das Bürgerforum HSH wurde von der Fraktion für den 29. Januar 2007 eingeladen, seine Überlegungen über den Planungsprozeß vorzustellen.


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